Das älteste Systemspielzeug der Welt

Friedrich Fröbel
Geschichte der Ankersteine

Das Spielkonzept

Die lange und bewegte Tradition der Ankersteine geht zurück auf den deutschen Pädagogen Friedrich Fröbel. Der Begründer der Spielpädagogik und Erfinder des Kindergartens hat freie, denkende, kreative Menschen als Erziehungsziel.

Die Welt wird für Fröbel im Spiel erfahren. Fröbel ist auch Entwickler legendärer „Spielmittel“, z. B. 1838 des ersten systematischen Bauspiels für Kinder, das aus Holz besteht und einen Kubus als Grundform hat. So werden Kinder in ihrem Fühlen, Denken, Erkennen angeregt und Motorik, Fantasie und Kreativität gefördert.

Von Holz zu Stein

Inspiriert durch die Holzbausteine Fröbels entwickeln die Brüder Lilienthal 1875 eine Rezeptur zur Herstellung von Mineralbausteinen, die aus einer Mischung von Quarzsand, Kalk und Leinölfirnis gepresst werden.

Auf der Suche nach dem echten Baugefühl finden die Luftfahrtpioniere eine Alternative zu instabilen Holzbausteinen. Der erste Steinbaukasten überzeugt durch seine natürliche Haptik: Aufgrund von Präzision, Eigengewicht und Struktur können auch große Gebäude ohne Bindemittel gebaut werden.

Gebrüder Lilienthal
Historisch Ankerwerk

Die Geburt der Ankersteine

Da das kreative Genie der Brüder Lilienthal größer ist als ihr Vermarktungstalent, verkaufen sie hoch verschuldet das Rezept für die Herstellung ihrer Bausteine an den Universal-Unternehmer Richter. Der Fabrikant errichtet 1880 ein neues Gebäude für die Produktion von „Richters Anker-Steinbaukästen“ in Rudolstadt.

Parallel dazu etabliert er eine Kunstanstalt, in der Künstler, Illustratoren und Architekten die Bauvorlagen für Baukästen erstellen und erschafft das erste Systemspielzeug der Welt. Diese werden zunächst als „Patent-Baukästen“ mit der Bildmarke eines roten Eichhörnchens vertrieben. Der Siegeszug der Ankersteine beginnt.

Gold für Anker

1884 bringt Richter die ersten Serien mit vier verschiedenen Steinbaukästen auf den Markt. Sie werden auf verschiedenen Ausstellungen präsentiert und gewinnen zahlreiche Auszeichnungen. Schon ein Jahr später verweist Richter in einem Katalog zurecht stolz darauf, dass seine Anker-Bausteine insgesamt 15 Goldmedaillen gewonnen haben.

1887 wird anlässlich des 10-jährigen Pontifikats von Papst Leo XIII. der erste Anker Spezialkasten herausgebracht: ein großes, maßstabgetreues Modell des Geburtshauses von Leo XIII.

Werbung für Vermarktung

Eine derzeit einmalige Anzeigen- und Werbekampagne macht das neue Spielzeug schnell bekannt. Richter ist einer der ersten in Deutschland, der großflächig bunte Werbung verwendet, die Lösungen zu Knobelaufgaben separat verkauft und Prachtausgaben herausgibt.

Schon bald verlassen die Fabrik in Rudolstadt über 40.000 Anker Steinbaukästen, die ab 1895 unter dem Logo des Ankers vertrieben werden. In Wien, St. Petersburg, London und New York entstehen Niederlassungen und Zweigbetriebe.

Anker-Steinbaukästen werden zum Synonym für kreatives, pädagogisch wertvolles Spielzeug. Ein ausgeklügeltes Erweiterungs- und Ergänzungssystem ermöglicht es, die Kästen beliebig zu variieren und kombinieren. Um den Wünschen des wachsenden Kundenstamms gerecht zu werden, erweitert sich das Sortiment stetig.

In voller Blüte

Der Marketingexperte Friedrich Adolf Richter kann für seine Anker-Bausteine auf Lobeshymnen von so illustren Persönlichkeiten wie Thomas A. Edison oder dem US-Präsidenten Stephen Grover Cleveland verweisen. Als Richter 1910 stirbt, hinterlässt er ein Imperium in voller Blüte, mit Niederlassungen in ganz Europa und den USA. Die Stamm-Fabrik in Rudolstadt beschäftigt zu dieser Zeit 649 Arbeiter.

Erbe und Reorganisation

Nach langen Jahren komplizierter Streitigkeiten um das Richter'sche Erbe führt schließlich die Inflation nach dem 1. Weltkrieg zum völligen Verlust der Bank- und Bargeldersparnisse des Unternehmens.

1921 wird die Firma grundlegend reorganisiert und in zwei staatliche Aktiengesellschaften aufgeteilt. Die Firma in Rudolstadt wird unter der DDR-Regierung in einen volkseigenen Betrieb (VEB) umgewandelt.

VEB Prospekt

Ungewollte Unterbrechung

Zwei Weltkriege haben die Ankersteine unbeschadet überstanden, doch 1963 verfügt ein Beschluss der DDR-Führung die Einstellung der Produktion. Die Firma „VEB Anker-Steinbaukasten“ wird aufgelöst, die Produktionsanlagen anderweitig vergeben.
Mit Ausnahme einiger kompletter Kästen werden alle Steine kostenlos abgegeben. Jeder darf vom Hof tragen, soviel Hände und Taschen fassen. Von 1880 bis 1963 wurden Schätzungen zufolge weltweit rund fünf Milliarden Ankerbausteine in vierhundert verschiedenen Baukästen verkauft.

Gute Freunde

Der Ankerstein hat viele treue Freunde, z. B. den 1979 in Holland gegründeten internationalen Club der Ankerfreunde, dem heute über 250 Mitglieder aus Holland, Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Ungarn, Chile, der Schweiz und den USA angehören. Der Club gibt wichtige Anregungen und Impulse und leistet einen enormen Beitrag zur Aufarbeitung der reichen Geschichte der Ankersteine.

Der Ankerstein hat Generationen fasziniert und inspiriert - und bis heute nichts von seiner Ausstrahlung verloren. Den Bemühungen einer besonders hartnäckigen Gruppe von Ankersteinfreunden ist es zu verdanken, dass es die Baukästen heute wiedergibt.

Club der Ankerfreunde
Georg Plenge

Der Neubeginn

Der an der Berliner Technischen Universität lehrende Akustikprofessor und Anker-Liebhaber Georg Plenge startet das Projekt zur Anker-Renaissance. Unterstützt von Mitteln der EU und des Landes Thüringen wird 1995 die Produktion unter Verwendung noch vorhandener Vorlagen wieder aufgenommen. Der Markteinstieg erfolgt mit dem Grundkasten 6 und kurz darauf mit den Ergänzungskästen 6A und 8A.
Auch heute noch hat die Anker-Steinbaukasten GmbH den Charme eines Handwerksbetriebs, der seine Traditionen pflegt und auf die zeitlosen Werte der Ankersteine setzt.

Anker in der modernen Zeit

2009 sichern Gerhard Gollnest & Fritz-Rüdiger Kiesel durch Übernahme des Unternehmens die weitere Existenz der Anker-Steinbaukasten GmbH. Das Unternehmen wird am traditionellen Standort Rudolstadt weitergeführt. Die beiden Hersteller traditionellen Spielzeugs sind durch die Spielzeugmarken goki, 'cause, HOLZTIGER und HEIMESS bekannt.
Nachdem GOKI im Mai 2017 das Gewerbe für die Produktion der Ankersteine abgemeldet hatte, übernahm die Arbeiterwohlfahrt Rudolstadt das Unternehmen und produziert nun vor Ort die Steine, die wieder wie einst in alle Welt versandt werden.

Inzwischen sind die Ankersteine mehrfach ausgezeichnet: Mit dem Prädikats-Siegel „Spiel gut“, dem „Parents Choice Award“ und dem „National Parents Publisher Award“.

Die Zukunft der Ankersteine

Aktuell

Seit Sommer 2017 gehört die neu gegründete Ankerstein GmbH zum Verbund der Arbeiterwohlfahrt Rudolstadt. Das Unternehmen wird als Inklusionsbetrieb geführt. Menschen mit und ohne Handicap produzieren gemeinsam die berühmten Bausteine.
Zusätzlich zum bekannten Portfolio setzt das Unternehmen auf spezielle therapeutische und pädagogische Angebote. Ankersteine finden z. B. Einsatz in der Ergotherapie zur Steigerung der motorischen Fähigkeiten. Auch Kindergärten und Grundschulen setzen auf die Bausteine, um z. B. Größen- und Mengenverhältnisse, Formen- und Farben und mathematische Grundsätze zu lehren.

Der Ankerstein GmbH liegt Nachhaltigkeit besonders am Herzen. Die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Zulieferern erfolgt mit regionalen Partnern. Außerdem setzt das Unternehmen auf eine plastikfreie Verpackung.

Am Erfolg der Anker-Renaissance hat die weltweite treue Anker-Fangemeinde großen Anteil. 2005 wurde der 10. Jahrestag der Wiederaufnahme der Produktion gefeiert sowie der 125. Geburtstag der Anker-Steinbaukästen. Im Februar 2008 präsentierte sich die Anker Steinbaukasten GmbH mit einem neuen visuellen Erscheinungsbild auf der 59. Spielwarenmesse in Nürnberg.

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